1932 - 1940 oDER NEOPLASTIZISMUS o
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Betrachten wir diese vier Werke als eine Sequenz, bemerken wir, wie sich die Kompositionen mit Geraden anreichern, die dazu neigen, den Bildraum in immer mehr Teile aufzuteilen. Die im Verlauf der zwanziger Jahre beobachtete Tendenz zu einem immer dünneren und synthetischeren macht Raum nach und nach einer gegensätzlichen Tendenz zur allmählichen Wiedereinführung zunehmender Artikulation und Komplexität in den neoplastischen Bildern Platz.
Um die wichtigsten Entwicklungen dieser Periode zusammenzufassen, nehme ich in groben Zügen eine Erklärung vorweg, für die vorerst nur die acht oben genannten Bilder benütze. Später werde ich wieder auf die anderen Werke, die Mondrian zwischen 1932 und 1943 gemalt hat, näher eingehen.
1: Zum ersten Mal in einer neoplastischen Komposition lassen sich an Stelle einer einzigen horizontalen Gerade, die in allen bis dahin realisierten Werken zu sehen war, zwei dicht nebeneinander verlaufende, horizontale Geraden beobachten. Die Stärke der zwei horizontalen Geraden ist halb so groß wie die der vertikalen Gerade.
Fast scheint es, als wollten die zwei dünnen horizontalen schwarzen Geraden eine weiße Gerade markieren - eine gegensätzliche Gerade zur schwarzen nicht nur auf der Ebene der Form (horizontal oder vertikal), sondern auch der Farbe (weiß oder schwarz). In 1 scheint sich das Schwarz dem Weiß öffnen zu wollen. Die kleine Fläche auf der rechten Seite ist grau; das Grau ist ein mittlerer Wert zwischen Weiß und Schwarz. Die gelbe Fläche auf der linken Seite bildet ein Gegengewicht zu der grauen Fläche. Ein Jahr später wird die Farbe Gelb ein mittlerer Wert zwischen Weiß und Schwarz. Wie in anderen Kompositionen nach Aufbau N. III lässt sich auch in hier unten rechts eine quadratische Fläche beobachten, die auf vier Seiten geschlossen ist. Das quadratische Feld drückt einen Moment von Gleichgewicht zwischen den gegensätzlichen Richtungen aus, die wo anders variable Proportionen erzeugen und sich dann in einer eindeutigen und absoluten Weise (nur horizontal oder nur vertikal) in einen unermesslichen Raum hinein auszudehnen. Das große gelbe Feld oben links und das graue weiter unten rechts sind vertikale Rechtecke; sie laden den Verlauf der doppelten horizontalen Geraden auf, was dazu beiträgt, das Quadrat in einem instabilen Gleichgewicht zu halten. |
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1 - Composition B with Double Line, Yellow and Grey, 1932, Oil on Canvas, cm. 50 x 50 |
Diagramm A |
Diagramm B |
Diagramm C |
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2 - Composition in Black and White with Double Lines, 1934, Oil on Canvas, cm. 59,4 x 60,3 |
Statt der geschlossenen quadratischen Proportion, die man in 1 beobachtet, sehen wir hier eine komplexere Struktur, die aus zwei übereinanderliegenden, gegensätzlichen Rechtecken gebildet ist, die in ihrer Wechselwirkung eine quadratische Proportion erzeugen: Es handelt sich um ein schon in 1925 beobachtetes Muster. Die Äquivalenz wird von zwei gegensätzlichen Prävalenzen in Anspruch genommen. Auf diese Weise kommt die quadratische Proportion des Aufbaus N. III dynamischer heraus.
Im zentralen Bereich laufen zwei horizontale Geraden, die eine ausgedehnte Version derer von 1 zu sein scheinen; aus der Wechselwirkung zwischen Horizontaler und Vertikaler entsteht ein kleines Quadrat. Zwischen einem kleinen Quadrat von wohlbestimmten Maßen, das im Zentrum erscheint, und einem größeren und unbestimmterem Quadrat stellt sich eine Beziehung her; fast als ob das große Quadrat das kleine weiter unten wäre, kurz nach dem Durchlauf der Geraden; der dynamische Verlauf der Geraden reißt das kleine zentrale Quadrat mit sich, das sich öffnet und in einem instabilen Gleichgewicht zwischen vertikaler (Diagramm A) und horizontaler(Diagramm B) Prävalenz bleibt.
Die verschiedenen Teile einer neoplastischen Komposition müssen als sukzessive Momente eines selben und einzigen Raumes, der sich verwandelt, gesehen werden.
3: Hier werden die zwei horizontalen Geraden, die den mittleren Bereich von 2 durchlaufen, zu vier. Auch diese Komposition basiert auf Aufbau N. III, aber anders als die andern, in denen das Feld innerhalb der quadratischen Proportion immer weiß ist, ist es hier weiß; außerdem zeigt das Feld innerhalb des Quadrates ein vertikales Segment, auf das weiter unten ein horizontales äußeres Segment reagiert. Die quadratische Proportion erscheint in einem instabilen Gleichgewicht zwischen einer inneren Vertikalen und einer äußeren Horizontalen. Zum ersten Mal nimmt in einem Bild des Aufbaus N. III das weiße Feld im Quadrat ein lineares Segment in seinem Inneren auf; ein anderes Zeichen des Bedürfnisses, die einheitliche Synthese zum vielfältigen Raum hin aufzubrechen. Dieses lineare Segment scheint den Anfang eines Prozesses der gegenseitigen Durchdringung von Quadrat und Geraden anzeigen zu wollen. |
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3 - Composition with Yellow, 1936, Oil on Canvas, cm. 66 x 74 |
4 - Composition 12 with Blue, 1937-42, Oil on Canvas, cm. 60,5 x 62 |
Diagramm 4a |
Diagramm 4b |
Diagramm 4c |
Mit 4 sehen wir dreizehn schwarze Geraden eine große Anzahl an Beziehungen erzeugen, die weiße Flächen verschiedener Größe und Proportion markieren.
Es lassen sich mehr oder weniger horizontal oder vertikal ausgedehnte Flächen beobachten. In einigen Punkten gleichen sich für einen Augenblick Horizontale und Vertikale aus und bilden quadratische, mal kleinere mal größere Proportionen.
Diagramm 4a: Nehmen wir zum Beispiel das Paar der vertikalen Geraden (A), die in ihrer Kreuzung mit den sechs horizontalen Geraden fünf Flächen erzeugen.
Von unten nach oben beobachten wir in einer Sequenz: eine kleine, fast quadratische (mehr horizontale) Proportion, die zu einem horizontalen Rechteck wird, dann zwei quasi gleiche vertikale Rechtecke, schließlich erneut ein Quadrat, doch diesmal etwas vertikaler.
Bei der Betrachtung des Paars der horizontalen Geraden (B) in ihrer Kreuzung mit den sieben vertikalen Geraden (von links nach rechts gesehen) beobachten wir: eine quadratische Proportion, die sich auf der rechten Seite fast gleich (die Vertikale überwiegt hier leicht) wiederholt, dehnt sich auffällig horizontal aus, zieht sich erneut zusammen und nimmt entschieden vertikale Proportionen an, kehrt dann in die Horizontale zurück und avanciert schließlich zu einer Proportion, in der sich Horizontaler und Vertikale quasi ausgleichen, jedoch diesmal mit einer leichten horizontalen Prävalenz.
Umkämpft von zwei gegensätzlichen Richtungen, die für einen Augenblick Äquivalenz und ein stabileres Gleichgewicht erlangen, um sich dann mehr oder weniger markanten Prävalenzen der einen oder anderen Richtung wieder zu öffnen, dehnt sich der Raum aus und zieht sich wieder zusammen. Äquivalenzen gegensätzlicher Werte entstehen und lösen sich auf, verlieren sich und finden sich in immer neuer Form wieder, ohne sich jemals ganz zu erfüllen.
Die Idee des Quadrats scheint sich hier eher prozessual als statisch auszudrücken. Das feste und wohl bestimmte Quadrat der 20er Jahre scheint sich nun im Kontakt mit den Geraden zu verwässern. Diese üben in ihrer Wechselwirkung einen einschränkenden und erweiternden Effekt auf den Raum aus, vor allem im mittleren Bereich; jenseits dieses Bereichs avancieren die Geraden nämlich zu Entitäten an sich; alle Horizontalen oder alle Vertikalen, eines schließt das andere aus; der Raum wird absolut und annulliert jede mögliche Beziehung zwischen den Teilen.
Rechts unten fließt das zentrale Feld in Richtung eines synthetischeren Bereichs mit einer kleineren Anzahl von Flächen, bei denen wir mit dem Blick verweilen können (Diagramm 4b). Eine Fläche erstrahlt in Blau. Sie erscheint wie der vierte Teil einer größeren Proportion (Diagramm 4c) , die aufgrund der von ihr eingenommenen Position an das Quadrat nach Aufbau N. III erinnert.
Von einem extrem veränderlichen Raumbereich (dem mittleren Feld), in dem die Äquivalenz als werdende erscheint, geht es in einen Bereich über, in dem der Raum beständiger ist (das eingeschränkte Feld), und dann in eine stabilere Synthese der Gegensätze, die durch Farbe hervorgehoben wird.
Der Farbakzent betont ein Quadrat, das wie eine Art von Modell erscheint, das von den Flächen des mittleren Bereichs nur variiert wird (Diagramm 4c). Man denke an die Kompositionen von 1918-19 in denen alle Größen und Proportionen nach einem festen Modul variierten. Nun gibt es keinerlei vorbeugende Kontrolle mehr.
1 - Composition with Yellow, 1930 |
2 - Composition with Blue and Yellow, 1932 |
3 - Composition N. 12 with Blue, 1937-42 |
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Es ist, als würden hier alle Kompositionen, die Mondrian zwischen 1929 und 1932 realisiert hat, zusammengefasst – Kompositionen nach Aufbau N. III und N. IV, die es mit Variationen über das Thema Quadrat zu tun haben. Zum Beispiel 1 (Aufbau N. III) mit einem geschlossenen Quadrat, einem offenen (links unten), einer leicht mehr vertikal entwickelten Proportion (oben rechts) und ein gelbes Rechteck. Oder 2 (Aufbau N. IV) mit zwei farbigen Quadraten und zwei weißen Quadraten. Eine Mannigfaltigkeit möglicher Äquivalenzen. In 3 scheinen alle jene verschiedenen Proportionen für einen Moment beisammen zu stehen.
Von einem wohl definierten und festen Quadrat, dynamisch ausbalanciert von zwei oder drei Proportionen und umgebenden Farben (1), geht es zu einem Quadrat über, das von der Verlängerung seiner eigenen Seiten (2) in Spannung versetzt wird, bis hin zu einem "Quadrat" im Status des Werdens, das ganz und gar von Geraden durchdrungen wird und sich wie eine kontinuierliche Variation seiner selbst ausdrückt ( 4). |
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1 - 1932 |
2 - 1934 |
4 - 1937-42 |
Betrachten wir die drei Werke in einer Sequenz, sehen wir, wie aus der "weißen Gerade", die die Mitte von 1 durchzieht, die Mannigfaltigkeit (4) entspringt (2). Die Synthese des Weiß öffnet sich wieder der Komplexität.
Von Composition N. 12 with Blue (4) bis New York City scheint ein kleiner Schritt zu sein. In Wirklichkeit hat sich der Prozess der Vervielfachung des Raumes weit langsamer vollzogen und war ein mühsamer Weg, der sieben Jahre der geduldigen Arbeit und eine weit größere Anzahl von Werken erforderte. Zwischen 1932 und 1942 hat Mondrian nicht weniger als fünfundsechzig Bilder geschaffen, unter denen einige in New York nach 1942 wieder aufgenommen wurden und ein Dutzend unvollendet blieben. |
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4 - 1937-42 |
New York City - 1942 |
Gemeinsamer Nenner aller Werke zwischen 1932 und 1942 ist in der Tat die Öffnung und die Vervielfachung des Einen, doch die erreichten Fortschritte sind langsam gewesen; es gab verschiedene Phasen der Ungewissheit, angefangene und nie vollende Arbeiten, wieder aufgenommene und dann modifizierte.
Diese Werke können unter vier Tendenzen gruppiert werden, die schließlich zum selben Resultat führen.
1. Tendenz
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Wir sehen hier Kompositionen, die eine Komplexität von Linien entwickeln, die Bereiche unterschiedlicher Größe und Proportionen schaffen. Einige dieser Bereiche neigen zu quadratischen Proportionen, die in einigen Fällen durch Farben hervorgehoben werden. Siehe auch 4, das weiter oben auf dieser Seite erklärt wurde.
2. Tendenz
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3, 9, 10 und 11 zeigen eine quadratische Form, die von einem vertikalen Feld durchdrungen wird, das sich von unten nach oben durch die gesamte Komposition zieht. Das vertikale Feld scheint aus den doppelten vertikalen Linien von 2 hervorzugehen.
3. Tendenz
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Diese Art von Kompositionen zeigt ein instabiles Quadrat, das zwischen einer oder mehreren horizontalen Linien im oberen Bereich und dem unteren Rand der Leinwand entsteht.
4. Tendenz
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Andere Arbeiten zeigen das Bedürfnis, die Sichtbarkeit eines großen Quadrats aufrechtzuerhalten, das durch die Kombination verschiedener Formen erzeugt wird, die miteinander interagieren, um Momente des Gleichgewichts innerhalb eines Raums zu evozieren, der sich in seinem Aussehen ständig verändert.
In diesen Kompositionen beharrt eine große quadratische Proportion in einem instabilen Gleichgewicht zwischen verschiedenen möglichen Proportionen, die ihr den Raum streitig machen. Zu Recht schreibt Filiberto Menna: "In der Konsequenz wird nun die eindeutige, unumkehrbare Räumlichkeit, die Mondrian in den vorangegangenen Werken durch vollständige Rückführung auf die Gewissheit der Ebene erreicht hatte, wieder in Frage gestellt und zerfällt in eine Vielfalt von Ebenen, die sich im jeweiligen Versuch, die Definitionsmacht über die Malfläche an sich zu reißen, gegenseitig bekämpfen."
Wie bereits erwähnt, ist der gemeinsame Nenner dieser Kompositionen die Öffnung und Vervielfältigung der Einheit, die eine Äquivalenz von Gegensätzen darstellt, d.h. die quadratische Form.
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Betrachten wir nun einige dieser Werke im Detail.
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Diagramm 2 |
Diagramm 3a |
Diagramm 3b |
Aufbau N. II |
In 3 sehen wir eine quadratische Proportion in einem Raum zusammenfließen, der von zwei in der Mitte verlaufenden vertikalen Geraden eingefasst wird (Diagramm 3a); die quadratische Proportion scheint dem gelben Quadrat von 2 zu entstammen, das sich in das Feld einbringt, das sich auf der linken Seite mit den zwei vertikalen Geraden erzeugt.
Die Kreuzung der vier horizontalen Geraden und der zwei vertikalen Geraden erzeugt einen Grundaufbaus (Diagramm 3b). In diesen fast gänzlich symmetrischen Aufbau treten oben links eine rote Fläche, in der Mitte rechts eine gelbe Fläche und im unteren Teil zwei horizontale Segmente ein.
Diese Elemente unterbrechen die Regelmäßigkeit des Grundaufbaus und verwandeln die Komposition in eine asymmetrische Gesamtheit, die die typische Entwicklung des Aufbaus N. II aufweist, d.h. eine zirkuläre Bewegung, die im entgegengesetzten Uhrzeigersinn von unten nach oben verläuft. In dieser Phase reichert sich der typische Aufbau N. II mit einer größeren Anzahl von Geraden an.
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Diagramm 3c |
Diagramm 3d |
Diagramm 3e |
Diagramm 3c: Zwei horizontale Segmente, begrenzt von zwei vertikalen Geraden, werden weiter oben zu zwei horizontalen Geraden, die ununterbrochen weiterlaufen; ein Stück endlichen Raums (die Segmente) öffnet sich einem unendlichen Raum (die Geraden).
Indem wir das Segment weiter unten mit der Gerade weiter oben in Beziehung setzen, erkennen wir ein tendenziell quadratisches Feld (Diagramm 3d), das den unendlichen Raum (die zwei horizontalen Geraden) erneut in eine endliche Dimension überführt.
Das quadratische Feld verläuft nach oben, und aus der Wechselwirkung zwischen den gegensätzlichen Richtungen entsteht ein horizontales Feld (Diagramm 3e), innerhalb dessen eine vertikale gelbe Fläche den Raum nach rechts hin verdichtet und dabei den Eindruck einer neuen quadratischen Proportion erzeugt (Diagramm 3f).
Diagram 3f |
Diagram 3g |
Diagram 3h |
3 |
Die Dialektik zwischen den gegensätzlichen Richtungen verdichtet und zersplittert den Raum, indem er geradlinige Impulse, die sich ins Unendliche ausdehnen, in ausgewogenere Situationen eines endlichen Raumes (Diagramme 3d und 3f) verwandelt, die sich erneut öffnen (Diagramm 3e) und wieder verdichten (Diagramm 3f).
Das kleine Quadrat unten (Diagramm 3d) ist in ein vertikales Feld eingelassen und zeigt in seinem Inneren zwei horizontale Segmente; das neue Quadrat (Diagramm 3f) findet sich innerhalb eines horizontalen Feldes (Diagramm 3e) und präsentiert in seinem Inneren zwei vertikale Segmente (die gelbe Fläche).
Wieder bringen uns die Geraden dazu, unseren Blick zu öffnen: Die vier horizontalen Geraden nach links hin durchlaufend, öffnet sich die Synthese (Diagramm 3f) wieder und wird zu einem erweiterten quadratische Proportion (Diagramm 3g),
Die rote Fläche markiert eine andere Fläche von wahrscheinlicher Äquivalenz zwischen den Gegensätzen (Diagramm 3h), die links oben die zwei anderen Äquivalenzen (Diagramme 3d und 3f) ausbalanciert. E, g, i in einer Sequenz visualisieren.
Die quadratische Proportion hat nur noch wenig von jenem Gefühl der Beständigkeit und Dauer, die sie noch um 1929 verkörperte; kaum hat man sich bei einer möglichen Äquivalenz aufgehalten, öffnet sich diese schon wieder dem veränderlichen Lauf der Geraden.
Wie oben schon gesagt, überwiegt in der gelben Fläche deutlich die Vertikale, während in der roten Fläche die Prävalenz entschieden horizontal ist.
Von den Bildern von 1929-30, in denen sich die drei Grundfarben, zusammen mit dem ganzen Raum, nach tendenziell äquivalenten Verhältnisse bzw. nach fast quadratischen Proportionen einordneten, sind wir nun weit entfernt. Was Seuphor klassischen Neoplastizismus nannte.
Diagramm 1a |
Diagramm 5a |
Diagramm 5b |
5 - Composition Blanc et Rouge B, 1936, Oil on Canvas, cm. 50,5 x 51,5 |
Auch hier, nach 1a, wird das Quadrat, das sich nach dem klassischen Aufbau N. III auf der rechten Seite einer vertikalen Gerade befindet, von zwei vertikalen Geraden durchdrungen (Diagramm 5a). Die rote Fläche verleiht einem Feld, das aus vier horizontalen Geraden erzeugt wird, die sich mit den zwei vertikalen Geraden um den Raum streiten, ein vertikales Maß. Das tendenziell quadratische Feld (Diagramm 5a) löst sich aus der Wechselwirkung der Geraden (Diagramm 5c). |
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Diagramm 5c |
Diagramm 5d |
Diagramm 5e |
Der Kontrast zwischen den gegensätzlichen Richtungen setzt Energie frei, und die Äquivalenz (Diagramm 5b) nimmt nun horizontale Proportionen an (Diagram 5c / B und C) um dann wieder eine vertikale Entwicklung in E zu nehmen und dann wieder neue horizontale Proportionen zeigen (D und F).
Die quadratische Proportion, von der wir ausgegangen waren (Diagramm 5a), zeigt eine Vielfalt an möglichen Beziehungen zwischen den Gegensätzen (Diagramm 5c): Flächen verschiedener Größe und Proportionen, wo alles im Werden ist. Die rote Fläche zieht den Blick wieder nach links und markiert eine neue größere quadratische Proportion (Diagramm 5d).
Von unten nach oben betrachtet, scheint die kleinste quadratische Proportion (Diagramm 5b) zur größten zu avancieren (Diagramm 5d), als ob die zwei Proportionen zwei aufeinander folgende Moment eines Gleichen wären, das aus einem Zustand der relativen Stabilität und Bestimmtheit (Diagramm 5a) in einen dynamischen und instabileren Zustand übergeht (Diagramm 5d).
Angeregt von der Farbe, öffnet sich das homogene Feld des kleinen Quadrats (Diagramm 5b) und teilt sich in eine variable Gesamtheit von Teilen auf (Diagramm 5c); eine zusammengesetzte Einheit, in der mal die eine, mal die andere Richtung überwiegt (Diagramm 5c / A, B, C, D, E, F); prävalenzen, die sich in einer einheitlichen Synthese ausgleichen (Diagramm 5d), die sich dann wieder öffnet und in einen unendlichen Raum hinein verliert (Diagramm 5e). Eine dynamische Komposition, in der sich alles ändert und irgendetwas bleibt. Eine Geometrie des Werdens.
Diese Komposition zeigt eine ähnliche Entwicklung wie in 5, wo eine veränderliche Gesamtheit von Flächen als eine Annäherung an und Entfernung von der Äquivalenz gedeutet werden kann. Man könnte sagen, dass die Flächen aus der doppelten weißen Gerade entstehen, die sich zwischen zwei schwarzen parallelen Geraden zeigt. Die horizontalen Geraden regen die weiße Gerade an, sich auszudehnen und zu einer Fläche zu werden. Die vertikale gelbe Fläche und die horizontale blaue Fläche bzw. Linie akzentuieren die Asimmetrie una halten die Komposition nach beiden Seiten offen. |
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6 - Composition en Jaune, Bleu et Blanc I, 1937, Oil on Canvas, cm. 55,2 x 57,1 |
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2 |
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Aufbau N. III |
Diagramm 2a |
Diagramm 9a | 9 - Composition en Blanc, Noir et Rouge, 1936, Oil on Canvas, cm. 102 x 104 |
Die Tendenz zur Öffnung, Aufteilung und Dynamisierung der Äquivalenz der Gegensätze nimmt in einem neuen Werk (9) Gestalt an, in dem wir noch Spuren des Aufbaus N. III sehen können. So teilen die Geraden den Raum des Bildes in vier große Flächen verschiedener Proportion auf; unter ihnen ist die unten rechts auf vier Seiten geschlossen und nähert sich der Proportion eines Quadrats an (Diagramm 9a). Es handelt sich um ein Quadrat, das größer ist, als man sonst im Aufbau N. III erwartet. Dies wird durch eine rote Fläche unterstrichen.
Wenn sich in 2 das Quadrat einem vertikalen Segment öffnet, so nimmt hier die quadratische Proportion zu und öffnet sich drei horizontalen Segmenten. Das mittlere Segment ist in der quadratischen Proportion völlig einbegriffen, während die anderen zwei nach rechts hin entweichen. Ein schwarzer Akzent oben links bringt die Segmente und die rote Fläche wieder ins Gleichgewicht.
1 - 1932 |
2 - 1934 |
3 - 1936 |
9 - 1936 |
Zusammenfassend, sehen wir eine wohl bestimmte quadratische Proportion (1), die sich einer Prävalenz der einen oder anderen Richtung öffnet (2), um dann in sich ein vertikales Segment (3) und drei horizontale Segmente (4) aufzunehmen, die das innere Feld des Quadrats aufteilen und destabilisieren.
10 |
Diagramm 10a |
Diagramm 10b |
Diagramm 10c |
Auch wenn 9 von 1936 stammt und 10 von 1938, sieht man im Vergleich der beiden Bilder, dass sich der quadratische Bereich von 9 in 10 nach oben hin fortsetzt (Diagramme 10 a, b, c). Das große Quadrat von 9 wird zu einer dynamischen vertikalen Sequenz in 10 wo das vertikale Feld durch horizontale Segmente gegliedert wird, die eine Reihe von Rechtecken erzeugen, von denen eins rot ist. Kombiniert man solche Rechtecke miteinander, lassen sie quadratische Proportionen erkennen, die entstehen und sich auflösen.
11 - Composition N. 1 with Red, 1938-39, Oil on Canvas, cm. 102,3 x 105,2 |
Diagramm 11a |
Diagramm 11b |
Diagramm 11c |
Im Vergleich zum Aufbau von 10 findet sich jetzt das vertikale, aus horizontalen Rechtecken gebildete Feld nach links verlagert.
Die markante Präsenz der vertikalen Geraden verleitet dazu, die horizontalen Unterteilungen innerhalb des vertikalen Feldes im vertikalen Sinne zu lesen.
Bei der Betrachtung solcher Unterteilungen bemerken wir, dass sich ihre vertikale Komponente in dem Maße, in dem sie sich der horizontalen Gerade, die die Mitte der Komposition durchläuft, annähert, allmählich von unten nach oben verringert (Diagramm 11a). Es handelt sich um die einzige horizontale Gerade in diesem Bild Tatsächlich bestehen die anderen Horizontalen aus drei Segmenten, die von vertikalen und zwei über den Bildrand hinausgreifenden Geraden jeweils unten nach rechts und oben nach links einbegriffen sind.
Von unten zur Mitte des Bildes hin gelesen, sehen wir also ein sich Verringern der vertikalen Komponente jeder horizontalen Unterteilung.
Der vertikal/horizontale Raum avanciert zu einem fast gänzlich horizontalen Raum (Diagramm 11a).
Im Zuge dieser Bewegung lässt sich eine quadratische Proportion erahnen (Diagramm 11b), über die die horizontale Gerade die Oberhand gewinnt. Das Quadrat avanciert daher zu einem horizontalen Rechteck, um sich dann nach oben hin zu verlieren (Diagramm 11c).
Wenn der Raum von unten zur Mitte hin fast ausschließlich horizontal wird, so gewinnt die vertikale Komponente von der Mitte zum oberen Teil des Bildes hin erneut an Boden.
In der Mitte schränken sich die horizontalen Geraden so weit ein, dass sie die Proportionen einer sehr zarten weißen Oberfläche (Diagramm 11a) annehmen, die fast von der gleichen Stärke der Geraden und des schwarzen Segments ist, durch die sie definiert ist. Tatsächlich erscheint die Fläche wie ein lineares schwarzes Segment.
Die Flächen darunter werden zu einem linearen Segment. In jenem Bereich gleichen sich Flächen und Geraden (endlicher Raum und unendlicher Raum), Weiß und Schwarz. In der Bildmitte sehen wir (nicht zufällig), wie eine Äquivalenz der Gegensätze entsteht.
Schon sechs Jahr zuvor (Lozenge with Four Yellow Lines) schien eine Zunahme der Stärke der Geraden auf eine Entwicklung in Richtung potentieller Flächen hinzudeuten, während auf der Farbebene das Gelb einen Zwischenwert zwischen Weiß und Schwarz darstellte.
Man beachte den Kontrast zwischen der einzigen horizontalen Gerade und dem schwarzen Segment darunter. Dieses Segment erscheint leicht stärker als die anderen zwei Segmente und dies scheint eine Verdichtung der Materie anzuzeigen, so als würde die horizontale Gerade für einen Moment zum Segment werden und der Verlust der Ausdehnung sich in eine Zunahme an Stärke verwandeln. Das gleichzeitige Vorhandensein der Gerade und des Segments produziert einen Raum, der sich gleichzeitig ausdehnt und zusammenzieht.
Ein mäßiger Akzent lenkt den Blick nach unten und öffnet zusammen mit den vertikalen Geraden auf der Rechten wieder den Raum, der sich zur Mitte hin wieder zunehmend angesammelt hat; so sind wir erneut in einen vertikalen Verlauf eingelassen, der graduell dazu tendieren wird, horizontal zu werden und sich dann wieder in der Vertikalen auszudehnen. Das Rot öffnet und balanciert die Mitte aus, in der Weiß und Schwarz für einen Augenblick eine dynamische Äquivalenz finden.
Bei der Untersuchung dieser Komposition ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass der Aufbau 1939 skizziert wurde, während die kleinen Farbakzente unten und rechts 1943 hinzugefügt wurden. Meiner Ansicht nach tragen die Hinzufügungen zu keiner Verbesserung bei und greifen sogar in gekünstelter Weise in die ursprüngliche Komposition ein. |
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Trafalgar Square, 1939-43, Oil on Canvas, cm. 120 x 145,2 |
Diagramm a |
Diagramm b |
Diagramm c |
Letztere folgt mit einer vertikalen Entwicklung von horizontalen Unterteilungen dem Aufbau von 11 (Diagramme a, b und c).
Drei horizontale Rechtecke behalten konstante Proportionen bei; ihre Summe evoziert eine quadratische Proportion (Diagramm b).
Hier scheint Mondrian eine Kompromisslösung zu finden zwischen dem Wunsch nach Durchdringung des Quadrats mit Geraden (9, 10, 11) und dem Bedürfnis, jenes besondere Moment der Komposition sichtbar zu erhalten, in dem die Gegensätze zur Äquivalenz kommen, wie in den Kompositionen, in denen eine große quadratische Proportion zu erkennen ist (17, 18, 20). Von unten nach oben betrachtet, sehen wir eine in die Vertikale überführte quadratische Proportion, die sich im Zuge ihres Verlaufs aufteilt, sich wieder zusammensetzt und dann nach oben hin auflöst.
Das Ganze im Lichte der sukzessive hinzugefügten Farbakzente zu bewerten, ist schwierig. An dieser Stelle sollte daran erinnert werden, dass zu dem Zeitpunkt, an dem der Maler in New York einige in Europa begonnene Werke wiederaufnimmt, der Prozess der Öffnung des Einen zur Vielfalt hin seinen Gipfelpunkt bereits erklommen hat – etwa in Bildern wie New York City (1942), wo es nicht mehr nur der mittlere Bereich, sondern die ganze Komposition ist, die quadratische Proportionen verschiedenen Maßes, verschiedenere Proportionen und Farben entwickelt. In der Wiederaufnahme dieser Werke geht es dem Künstler daher nicht darum, die Äquivalenz noch zu mehr zu dynamisieren, sondern das Ganze mit kleinen Farbflächen, frei von der schwarzen Umrandung der Geraden, anzureichern.
Ich habe dieses Bild mehrmals im Original betrachtet und muss sagen, dass es mich aufgrund einer ungewöhnlichen Trockenheit der Farbsubstanz nicht überzeugt. Das Weiß wie auch die anderen Farben machen einen seltsam platten und monotonen Eindruck.
Ein paar Worte zu den Titeln, die Mondrian einigen seiner Gemälde gab, wie Place de la Concorde, Trafalgar Square, Broadway Boogie Woogie. Diese beziehen sich auf die Städte, in denen der Künstler lebte und arbeitete: Paris, London und New York City. Besonders bei Broadway Boogie Woogie haben die Titel jedoch zu nicht wenigen Missverständnissen geführt, indem sie oberflächliche Parallelen zum äußeren Erscheinungsbild der Stadt suggerieren. Als ob Mondrian ein ganzes Leben lang arbeiten würde, um endlich die Straßen von New York City und die Lichter des Broadways darzustellen. Ich werde darauf zurückkommen, wenn ich das Gemälde analysiere.
Die Grundbedeutung des bisher untersuchten Prozesses kann hier synthetisch visualisiert werden.
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Eine Gruppe von Bildern, die zwischen 1930 und 1938 realisiert wurden, zeigen eine gemeinsame Eigenschaft. Unter der 3. Tendenz gruppiert, zeigen diese Bildern eine große quadratische Proportion, die sich aus der Beziehung zwischen einer oder mehrerer horizontalen Geraden und der Unterseite des Bildes heraushebt. In diesen neuen Bildern ist die quadratische Proportion nicht mehr durch lediglich zwei horizontale Geraden, einer oberen und einer unteren, wie nach Aufbau N. II (1), bestimmt, sondern wird zwischen einer oder mehreren Horizontalen oben und der Unterseite des Bildes erzeugt (13). Blieb die quadratische Proportion nach Aufbau N. II nach einer oder zwei Seiten offen, öffnet sie sich hier weiter nach unten und fällt nun mit drei der vier Bildseiten zusammen. |
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Nach Aufbau N. II (1927) |
Nach Aufbau N. II (1931) |
13 (1937) |
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12 - Composition B with Red, 1935, Oil on Canvas, cm. 63,2 x 80 |
Diagramm 12a |
Diagramm 12b |
Diagramm 12c |
12 zeigt eine Vielfalt an horizontalen und vertikalen Beziehungen, unter denen sich eine rote Fläche durchsetzt, die eine fast quadratische (leicht horizontal entwickeltere) Proportion ist; unterhalb von dieser lässt sich ein weißer Bereich beobachten, der hingegen ein leicht vertikal entwickelteres "Quadrat" ist (Diagramm 12a). Die eine hat, was dem anderen fehlt, um die Äquivalenz zu erreichen, die sich schließlich in der Fläche weiter unten links, die jedoch offen bleibt, herstellt (Diagramm 12c). Entlang dieser drei Flächen zeigt der Raum einen fließenden Verlauf.
Aus der Kreuzung von drei horizontalen Geraden mit drei vertikalen entstehen Bereiche verschiedener Größe und Proportion. Unten, nahe der Bildunterseite, sehen wir ein horizontales Segment. Dieses erscheint innerhalb einer Fläche, die, wenn in Beziehung zur Bildunterseite gesehen, quadratisch, und wenn in Beziehung zum Segment gesehen, rechteckig erscheint (Diagramm 15a). |
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Diagramm 15a |
Diagramm 15b |
Diagramm 15c |
Diagramm 15d |
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15 - Composition en Blanc, Rouge et Bleu, 1936, Oil on Canvas, cm. 80,3 x 98,5 |
Folgt man der doppelten vertikalen Gerade, verdoppelt sich der tendenziell quadratische Bereich (Diagramm 15a) nach oben hin und nimmt äquivalente Proportionen an (Diagramm 15b). Gleichzeitig mit dieser vertikalen Verlagerung kommt es zu einer horizontalen Ausdehnung, an deren Enden die zwei farbigen Flächen stehen (Diagramm 15c). Die Summe der zwei farbigen Flächen entspricht fast der quadratischen weißen Proportion und liegt nur leicht darunter. Einerseits betrachten wir eine Synthese (weißes Quadrat) (Diagramm 15b) und andererseits sehen wir zwei ihrer Seiten (die farbigen Flächen). Die weiße Synthese erscheint durch die Farbe aufgeteilt, die sich vor allem nach rechts über den Bildrand hinaus erstreckt. Ständig sichtbar zu machen: Das horizontale Rechteck (Diagramm 15a), das sich, kaum dass es in seiner vertikalen Verlagerung zu einem Quadrat geworden ist (Diagramm 15b), schon unter der Wirkung eines dynamischen horizontalen Feldes verdoppelt (Diagramm 15c). Die Synthese öffnet sich wieder der Vielfalt (Farben) und bleibt zugleich einheitlich (weißes quadratisches Feld).
Zusammen mit der Bildunterseite bildet die horizontale Gerade weiter oben eine große quadratische Proportion (Diagramm 15d)
Gegensätze (Horizontale und Vertikale / Weiß und Schwarz) wechseln sich ab und erzeugen eine Vielfalt von Größen und Proportionen, die zu einer Synthese tendieren (Diagramm 15b), sich zur Vielfalt öffnen (die farbigen vertikalen Rechtecke, die durch den horizontalen Fluss in Diagramm c erzeugt werden) und dann eine neue Synthese mit einem größeren quadratischen Anteil erreichen (Diagramm 15d). Verglichen mit der uniformen weißen Einheit (Diagramm 15b) besteht die in Diagramm d gezeigte Einheit aus einer Vielfalt von Größen, Proportionen und Farben. Eine weitere Möglichkeit, die Einheit für die Vielheit zu öffnen.
Diagramm 16a |
Diagramm 16b |
Diagramm 16c |
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16 - Opposition de Lignes, de Rouge et Jaune, 1937, Oil on Canvas, cm. 33,5 x 43,5 |
Wir sehen vier vertikale Linien, von denen zwei eine weiße Linie zu markieren scheinen.
Wir sehen in 16 drei horizontale Linien, wobei die mittlere mit Gelb hervorgehoben wird. Sie wirkt mit der unteren Kante der Leinwand zusammen, um eine quadratische Form zu erzeugen, die zwischen einem horizontalen (Diagramm 16b) und einem vertikalen Rechteck (Diagramm 16c) oszilliert, wenn sie in Bezug auf die untere oder obere Horizontale betrachtet wird.
Eine andere Art, ein variables, unwahrscheinliches quadratisches Verhältnis auszudrücken.
In dieser Komposition gibt es oben zwei horizontale Geraden. Die Proportion, die zusammen mit der Unterseite des Bildes erzeugt wird, erscheint horizontal leicht entwickelter, wenn wir die Unterseite im Verhältnis zur horizontalen unteren Gerade betrachten. Betrachten wir hingegen die Unterseite mit der oberen horizontalen Gerade, entwickelt die Proportion eine fast quadratosche Proportion. Das Quadrat befindet sich in einem instabilen Zustand.
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Composition A with Double Line and Yellow, 1935, Oil on Canvas, cm. 56 x 59 |
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Aus dem diesem vertikalen Feld, das sich ab 10 und 11 beobachten lässt, gehen die drei unten stehenden Kompositionen (1, 2, 3) hervor, die sich in radikaler Weise von all dem zu entfernen scheinen, was Mondrian bis dahin gemacht hatte.
1 - Composition Blanc et Bleu, 1934-36, Oil on Canvas, cm. 59 x 121,3 |
2 - Composition with Red, Yellow and Blue, 1935-42, |
3 - Composition with Blue, Red and Yellow, 1935-42, Oil on Canvas |
Wie Jaffè bemerkt, sind diese drei Bilder doppelt so hoch wie breit; in anderen Worten, hat jedes Bild eine Proportion, die zwei übereinander liegenden Quadraten gleichkommt. Wenn sich zum Beispiel die quadratische Proportion in Composition A with Double Line and Yellow mit drei Seiten des Bildes teilt, erzeugt sich in diesen drei Werken der ganze Raum aus der Übertragung eines quadratischen Feldes, das sich vertikal verdoppelt. Ein dynamisches Quadrat, dessen Bewegung die Maße des Bildes selbst hervorbringt.
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Wir examinieren jetzt einige Kompositionen die nach von mir klassifizierten 4. Tendenz gehören.
Sieben vertikale Geraden kreuzen eine horizontale Gerade und fünf horizontale Segmente. Auch in diesem Bild lässt sich ein vertikales Feld beobachten, das den mittleren Bereich der Komposition (Diagramm 17a) von unten bis oben durchquert und innerhalb dessen sich ein Bereich hervorhebt, der einer Äquivalenzbeziehung zwischen zwei gegensätzlichen Feldern (Diagramme 17a und 17b) nahe kommt (Diagramm 17c). Eine kleine blaue Fläche verdichtet den Raum unten rechts und zieht einerseits das horizontale Rechteck (Diagramm 17c) an sich, das auf diese Weise zu einem vertikalen Rechteck von ähnlichen Proportionen wie die blauen Flächen wird (Diagramm 17d), macht andererseits eine größere Proportion deutlich, sie sich erneut der Äquivalenz nähert (Diagramm 17e). |
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17 - Composition de Lignes et Couleur III, 1937, Oil on Canvas, cm. 77 x 80 |
Diagramm 17a |
Diagramm 17b |
Diagramm 17c |
Diagramm 17d |
Diagramm 17e |
In der Zwischenzeit gewinnt die "weiße Gerade" auf der rechten Seite erneut an Raum, bis dahin, dass sie wieder die Proportionen einer Fläche erreicht oder besser: dreier Flächen, die sich von der Unter- bis zur Oberseite des Bildes erstrecken und dadurch den Raum zu neuen Maßen und Proportionen öffnen; variablen Maßen und Proportionen, die immer wieder ein Gleichgewicht finden, um es dann erneut in die eine oder andere Richtung zu verlieren.
Diagramm 18a |
Diagramm 18b |
Diagramm 18c |
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18 - Composition of Lines wit Red (unfinished), 1937, Charcoal and Oil On Canvas, cm. 68,5 x 73 |
Diese unvollendete Komposition entwickelt sich in ähnlicher Weise wie 17.
Entlang des oberen Randes dieser Leinwand sehen wir einen roten Akzent, dessen Proportionen zu einer horizontalen Linie tendieren, die ein darunter liegendes, leicht horizontales Feld hervorhebt, das, nach rechts durch vertikale Linien und nach unten durch horizontale Linien und Segmente angezogen, die kleine rote Fläche mit fast quadratischen Proportionen, aber etwas mehr vertikal entwickelt, erreichen zu wollen scheint. Alles in dieser Komposition scheint zwischen Expansionsbewegungen (horizontale oder vertikale Linien und Segmente) und gegenläufigen Reaktionen in Richtung Konzentration (der kleine rote Bereich und zwei kleine weiße Bereiche in seiner Nähe) umkämpft. Auf eine vertikale Prävalenz (Diagramm 18a) folgt eine horizontale Prävalenz (Diagramm 18b), während ein Bereich, der sich mit diesen beiden überschneidet, eine annähernde Gleichheit der entgegengesetzten Richtungen zeigt (Diagramm 18c).
Wir sehen erneut, dass sich Bereiche der Komposition von der Vorherrschaft der einen oder anderen Richtung hin zu Beziehungen bewegen, die zur Gleichgewichtkeit tendieren,die nur einem Moment lang anhält.
1 - 1930 | 2 - 1933 | |
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19 - Lozenge with Eight Lines and Red, 1938, Oil on Canvas, cm. 100 x 100 - Diagonal: cm. 140 |
In diesem Werk ist die große "quadratische’ Proportion" auf die sich die ganze Komposition konzentriert, deutlich zu erkennen. Im Vergleich zu den vorangegangenen Rauten (1 und 2), entwickelt sich das Quadrat über eine größere Anzahl von Geraden. Ich sage Quadrat, auch wenn es sich nicht um ein Quadrat handelt. Eine wahre und wirkliche Äquivalenz kommt, wenn überhaupt, nur zustande, wenn wir die horizontale Gerade weiter unten als Basis des Quadrats betrachten, doch greifen die anderen Geraden ein und setzen den Raum wieder in Bewegung und lenken unseren Blick von der quadratischen Proportion ab. Die vertikalen Geraden tragen dazu bei, das Quadrat horizontal auszuweiten, vor allem nach links, während das Rot wieder alles nach rechts bringt und die Proportion in einem dynamischen Gleichgewicht zwischen Ausweitung und Zusammenziehung zurücklässt. Die quadratische Einheit, Äquivalenz der Gegenteilen, erscheint und gleichzeitig verschwindet.
21 - New York, 1941 / Boogie Woogie, 1941-42, Oil on Canvas, cm. 92 x 95,2 |
Diagramm 21a |
Diagramm 21b |
Diagramm 21c |
Auch hier entwickelt die Komposition im mittleren Bereich eine weite, tendenziell quadratische Fläche, aber diesmal sind die Geraden nicht mehr nur schwarz.
Nach biographischen Angaben soll das Gemälde zunächst (Februar 1941) in einer Ausstellung gezeigt worden sein, wobei die Geraden alle schwarz gewesen sein sollen. Im Herbst desselben Jahres soll der Künstler die roten Geraden hinzugefügt oder, noch wahrscheinlicher, einige schwarze neu rot gemalt haben.
Der Aufbau aus schwarzen Geraden erscheint symmetrisch und zeigt einen großen Bereich, in dem die Horizontale überwiegt (Diagramm 21a); diese tendiert dazu, äquivalente Proportionen anzunehmen, wenn sie in Beziehung zu einem schwarzen Segment darunter gesehen wird (Diagramm 21b).
Mit den roten Geraden kommt eine vertikale Proportion ins Spiel (Diagramm 21c), die nach und nach eine neue Äquivalenz hervorhebt, wenn sie zunächst in Beziehung zur schwarzen Gerade (Diagramm 21d) und dann zum schwarzen Segment (Diagramm 21e) gesehen wird.
Diagramm 21d |
Diagramm 21e |
Diagramm 21f |
Diagramm 21g |
Diagramm 21h |
Aus der Beziehung zwischen drei schwarzen Geraden und einer roten gehen ein anderer großer Bereich von tendenziell quadratischer Proportion (Diagramm 21f) und eine horizontale Proportion (Diagramm 21g) hervor; zwei komplementäre Situationen, die, in ihrer Gesamtheit gesehen, eine mögliche Äquivalenz suggerieren, wenn eine der anderen ihren Mehr an Horizontale gäbe und umgekehrt die andere sich von ihrem vertikalen Überschuss befreite. Oben rechts sehen wir eine Synthese der zwei vorangegangenen Situationen.
In der Betrachtung des Bildes stehen wir zwei wahrscheinlichen Äquivalenzen gegenüber, die zwischen leichten Prävalenzen der einen oder anderen Richtung abwechseln, ohne dass eine von ihnen ein beständiges Übergewicht erreicht. Alles geht um den Raum herum zur Konstruktion und Dekonstruktion einheitlicher Synthesen zwischen gegensätzlichen Richtungen über, die in diesem Fall zugleich auch Synthesen der zwei Farben sind.
An den Geraden entlang wandernd, öffnet sich der Raum und verdichtet sich dann in der Form stabilerer Beziehungen, die dann wieder in Frage gestellt werden; auch ändert sich alles, aber etwas erweckt den Eindruck eines größeren Gleichgewichts.
Die Farbakzente, die der Künstler 1942 hinzugefügt haben muss (vor allem die kleinen Flächen unten), bringen keine nennenswerte Veränderung der Komposition. Sie fügen einem Bereich "Vertikalität" zu, der sonst von den Horizontalen dominiert worden wäre, vor allem aber tragen sie dazu bei, die Komposition in der Farbe zu bereichern.
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1 |
2 |
3 |
4 |
Öffnet sich in den untersuchten Kompositionen die quadratische Proportion und durchdringt sich mit den Geraden, so zeigen andere Werke der gleichen Periode (1, 2, 3, 4) eine völlig geschlossene und gut sichtbare quadratische Proportion: eine weißes und manchmal farbiges homogenes Feld. Im Vergleich zum klassischen Aufbau N. III jedoch nehmen die Geraden - vor allem die horizontalen – zu und der Raum erscheint ziemlich hektisch (2 und 4).